Wing Chun Schulen
Die Lehrmethode in alten Schulen gleich welcher Richtung unterschied sich wesentlich von dem, was von alters her im Westen üblich war. In den Ländern Europas konnte jeder Edelmann, der über genügend Geld verfügte, sich einen Fechtmeister mieten, um sich im Fechten ausbilden zu lassen.
Entsprechend war auch das Verhalten diesen Lehrern gegenüber, die zum Dienstpersonal gehörten.
Besonders Findige konnten natürlich in der Stadt eine Schule eröffnen, in der sie gegen Bezahlung Unterricht erteilten.
Für eine festgelegte Summe wurde den Schülern nach dem Ware-GeldPrinzip eine bestimmte Gruppe
von Verfahren beigebracht. Auf diesem Prinzip beruhten alle Kontakte zwischen dem Lehrer und
seinen Schülern. Der junge Mensch fühlte sich durch keine weiteren moralischen Verpflichtungen
mit der Schule verbunden, die er besuchte. Da es sich bei den Übungen im wesentlichen um eine
individuelle Ausbildung handelte, konnte sich auch keinerlei ,Universitäts-Bruderschaft' ausbilden.
Ganz anders gestaltete sich das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern im Osten - sei es nun
in China, in Japan, in Korea oder in Vietnam.
Vor allem war die Schule nicht an die Person eines Lehrers gebunden.
Wie eine daoistische Sekte lebte sie, einmal entstanden, praktisch unbegrenzt weiter: zwanzig,
dreihundert, fünfhundert und tausend Jahre ohne irgendwelche sichtbaren Veränderungen.
Die Dauerhaftigkeit der Tradition beruhte auf der Konstanz und der kontinuierlichen
Weitergabe der Trainingsmethoden, auf dem Festhalten an dem Vermächtnis des ,Gründervaters'.
Für das Haus des Lehrers, in dem in der Regel die meisten Schüler wohnten,
verwendete man den Begriff Pforte' (Men). Wurde jemand in eine Schule aufgenommen,
hieß das das Eintreten in die Pforte'. In einer Schule sein hieß in der Pforte sein'.
Wurde der Unterricht in einer Schule abgeschlossen, bezeichnete man das als die Pforte verlassen'.
Obwohl diese Begriffe eine deutliche Anspielung auf die Realität enthalten, da die Häuser
in China tatsächlich von einem hohen Zaun mit einer Pforte umgeben waren und die Übungen auf
dem Hof durchgeführt wurden, ist vor allem der Einfluß religiös-philosophischer Symbolik
zu berücksichtigen. Stand doch in der gesamten ostasiatischen region die Tradition der
Kenntnisvermittlung stets in engen Zusammenhang mit dem Gedanken, den rechten Pfad zu begreifen und dem
vorgezeichneten Pfad zu folgen. Folglich war die Pforte zum Haus des Lehrers die Pforte zum
Wissen, zur Gewinnung der absoluten Wahrheit, "zur zweiten Geburt". Der Lehrer wurde a priori als
der Träger der Wahrheit angesehen. Er übermittelte seine Kenntnisse Schüler, der von der
Natur nur mit einer körperlichen, aber noch mit keiner geistigen Persönlichkeit ausgestattet
war. Somit galt der Schüler bei den eingeweihten Mitgliedern der Schule vor dem
'Durchschreiten der Pforte' als ein Schatten seines eigenen Ich,
noch vollkommen unentwickelt und in einem Embryonalzustand befindlich.
Daher verdiente er von den 'echten Menschen' noch keine Achtung, da selbst sein körperliches
Sein noch völlig unbearbeitet, befangen und träge war.
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